RE: 48.tag
 

repetition, same time same place . . .
analyse
et la place de la pique


in ihrer zeitgleichen repetition liegt eine disziplin,
die auch sicherheit in der kontinuität innehat.

für schwer kranke, beispielsweise an altzheimer leidenden hat ein
wiederkehrendes schema grosse bedeutung für
die seelische sicherheit und ruhe.

für den gesunden künslerisch schaffenden und schöpfenden
menschen kann das eine fokussierende bedeutung
der besonderen art haben.

es kann auch zur verinnerlichung eines prozesses dienen.


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die wiederkehrenden nadelstiche
als wiegenlied

für ein geliebtes kind
für ein verlorenes kind
für das noch ungeborene kind

für das kind in dir
für das kind,
das in jedem menschen steckt.

oder
für das kind des kindes des kindes . . . ,
also der menschheit.


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es ist das sich bewusste zeit nehmen für etwas,
das besondere qualität besitzt.
im sich zeit nehmen für etwas wird diesem
besonderer respekt verliehen, nicht zu letzt den mitmenschen,
aber eben auch deiner arbeit.

es wird zum ritual, das man nicht missen möchte.

das kann aber auch zu einem tick werden,
. . . heute ist doch Donnerstag 13h, ich muss in die Vitrine!
ach nein, das projekt liegt ja schon jahre zurück . . .

es kann dem auch etwas masochistisches anhaben.
ich habe die assoziation gefängnis gelesen,
mir liegt sinnhaft ein Vogelkäfig näher.
eine volliere mit türe, der vitrine fenster eben.

die vitrinen session erinnert auch in gewissem maße an die
Kant`schen Spaziergänge.
(der bekanntlich immer um punkt 19h zu spazieren pflegte,
jedenfalls eine zeit lang).

oder der 5 uhr tee als englisches ritual.

es ist aber auch wie das zähneputzen,
oder der kaffee im bett, immer sonntags,
wie auch das herrendoppel freitags
mit anschliessendem bier nach der sauna.

das projekt ist aber wie schon öfter bemerkt
wie eine zeitlich wiederkehrende meditation,
der man auch einen therapiecharakter abgewinnen kann.

nur, wer therapiert hier wen?

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da sich dein projekt dem ende zuneigt ist es nun auch zeit
für mich eine kurze analyse zu versuchen.

jeder der sich im öffentlichen raum, aber noch mehr sogar
in einem blog outet muss sich darauf einstellen,
das er konträre meinungen, analysen und einschätzungen
zurückbekommt.

alle interpretationen sind möglich, bis hin zu missverständnissen,
bzw. ein völlig anderes verständnis einer sache,
die komplett konträr gemeint war.
man muss darauf gefasst sein,
das dinge anders verstanden werden können.

und so war es ja meines wissens nach auch gemeint.
siehe zitat re.re 29.04:

. . . möchte ich einen diskurs eröffnen, welcher durch die hinterfragung der aspekte die sichtweisen relativiert und damit vielleicht neue gedankenräume entstehen können.

für mich hat sich herausgestellt, das das
projekt wohl eher eine „therapie“, ein erfahrungsprozess
ein rekognizieren mit einer feinen, sensiblen wahrnehmungmotorik
für dich selber darstellt.
eine meditative reise für dich und deine lebensgeschichte.

für den betrachter ergibt sich aber ein anstoss
einer subtilen annäherung der speziefischen,
der besonderen art deiner performance.
simpel gesagt, ein beitrag zur schöpfung schlecht hin.
das fordert respekt.

einiges plauderst du aus deinem nähkästchen,
manches neue hat man auch erfahren können.

der einfluss der passanten und dessen dimension auf dein projekt
ist mir nicht ganz klar geworden. was haben sie bewirkt?
hat ein erlebnis von aussen jemals eine nadelstich-linie beeinflusst.

ich bin gespannt auf deine konklusion.

das du dich einmal in den finger geschnitten hast
interessiert allgemein etwa genauso viel wie wenn sich
ein lama im bolivianischen hochland das bein gebrochen hat.

damit es zu keinem missverständnis kommt sei angemerkt,
wer sich beispielsweise für das lama im bolivianischen hochland interessiert, wird vielleicht auch den schnitt in deinen finger interessieren
und das hat auch seine berechtigung, wen es eben interessiert.

ich habe den blog jedenfalls jeden tag interessiert verfolgt,
daher wird mir der tägliche blick auf deinen blog
nach dessen abschluss abgehen.

das widerkehrende tun, die repetition am selben ort und das nachspüren,
nachbehandeln und nachfühlen, weckt in mir auch die assoziation
des oftmaligen hörens von musik.
das immer wieder hören desselben stückes ermöglicht
verschiedene sichtweisen und jahre später entdeckt man
trotzdem noch einen takt, den man so noch nie gehört hat.

du hast deinen ort wortwörtlich in verschiedenstem licht gesehen,
bei wind und wetter gefühlt, wie bei sonnenschein,
alleine und von menschen und lebewesen beseelt.

ein entscheidendes erlebnis bei deiner performance
war für mich das nachspüren der linien mit diesem grellen licht.
es ist wie das abtasten einer blindenschrift.
es war dermassen intensiv das mir das für mein restliches leben
immer in erinnerung bleiben wird.
mir kam sofort die assoziation der morsezeichen in den sinn.

das lesen der zeichen des funkers auf einem schiff.
als unkundiger haften die blicke am gesicht des tastenden,
der zeichen mächtigen.
ein notruf, ein befehl, eine todesnachricht oder grüsse
von einem geliebten menschen.
ein stück leben in eine lochschleife moduliert.

so habe ich auch die notwendigkeit deines blogs verstanden.
eine übersetzung deiner nadelstiche, deiner blindenschrift,
blind für die aussenstehenden passanten und beobachter.

bedeutend finde ich das sich weiterentwickeln,
die meditation, vertiefung, analyse als katalysator für die zukunft.
das kraft schöpfen, erkenntnis und erfahrung gewinnen.

dabei ist für mich das durchspielen aus verschiedenen blickwinkeln
und lebenszeiten- und situationen von bedeutung.
manches mal bedarf es einer kindlichen verspieltheit
um zu einem stimmigen, ausgereiften ergebnis
in aller ernsthaftigkeit und genialität zu gelangen.


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die tages und zeitgleichen sessions sind also aber auch
wie ordinationszeiten.

du ordinierst
Mo. 10-12, Di.11-13, Mi. 12-14, Do.13-15, Fr.14-16,

telefonische anmeldung ist nicht erforderlich.
es ist keine card mitzubringen,
„nur“ alle sinne . . .

la place de la pique,
rue de prater, 42
vitrine


adieu,
au revoire et
bon voyage!

crissian